Wir hatten einen Vierseithof gekauft und waren dabei, ihn zu sanieren. Dabei stellten wir fest, dass wir dort schon einige Bewohner*innen hatten. Davon berichte ich in meinem Buch „Katzen und wir“. Hier nur mal eine kleine Episode.
Butzi lebte schon mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern auf dem Hof und wurde von uns gefüttert, aber sie war völlig scheu. Wir erlebten sie nur kurz, wenn sie sich Essen abholte. Das Bild zeigt, wie sie eines ihrer Jungen fürsorglich putzt.
Eines Tages stand sie allerdings laut schreiend vor mir, was nicht ihre Art war. Sie wollte mich auf etwas aufmerksam machen. Ich verstand nicht. Es war kein Hunger, es war kein Durst. Sie wollte mir offensichtlich etwas zeigen. Ich sollte mitgehen. Also folgte ich ihr. Sie führte mich in unsere große Scheune. Dort lag viel Heu auf verschiedenen Ebenen. Ich entdeckte, indem ich ihr in das obere Stockwerk folgte, ein Geheimnis. Die Katzen hatten sich in dem Heu verzweigte Gänge angelegt und Lager eingerichtet. Wie ich mit der Zeit herausfand, hatte sie vier Kinder geboren, die dort angenehm untergebracht waren und exzellente Spielmöglichkeiten hatten.
Aber das wollte sie mir ja nicht zeigen. Sie wollte mir zeigen, dass eines ihrer Jungen aus diesem Nestausgang und damit mehr als zwei Meter heruntergefallen war. Das folgende Bild zeigt den Ort des Geschehens.
Das Kleine, die sie mir zeigte, war rot, weiß und schwarz gemustert, ein Glückskätzchen als, die immer weiblich sind. Und es war zutraulich. Ich konnte sie also in die Hand nehmen, auf den Wagen steigen und es wieder ganz oben in den Ausgang des Nestes setzen, wo schon alle drei anderen standen und auf ihr Geschwisterchen warteten. Alle waren sehr schöne kleine Wesen, entweder rötlich-weiß gemusterte oder grau-weiß gefleckte Kitten. Na ja, kein Wunder bei der Mutter!
Ich war erstaunt und gleichzeitig fasziniert, dass neben unserem Zuhause, das wir gerade dabei waren zu schaffen, bereits eine andere komplexe Wohnwelt auf dem Hof existierte. Da gab es ein Wohnsystem mit Gängen in unserer unmittelbaren Umgebung, das wir zu beachten hatten und in das wir nicht einfach ohne bessere oder zumindest gleich gute Angebote eingreifen durften. Die hatten wir nicht, weil wir auf diesem Hof noch nicht wohnten, nicht ständig da waren und die Umbauarbeiten eher Chaos verursachten.
Völlig perplex war ich, weil Butzi mich geholt hatte und mir den Ort zeigte. Offensichtlich war ihre Verzweiflung so groß, dass sie sogar wenig vertraute Lebewesen wie mich einband, damit sie ihr in ihrer Not helfen.
Etwas verwirrt war ich dann schon, dass die Jungen von Butzi nun jeden Tag herunterpurzelten und von mir hinaufgesetzt werden mussten und dennoch keinen Schaden nahmen. Ich schaute jeden Tag mehrmals nach und fand jeweils eines der Kleinen, die auf die Zwischenebene eines dort stehenden Karrens gefallen waren oder ganz nach unten. Und sie waren vergnügt und wurden fröhlich von den oben wartenden Geschwistern erwartet. Es sah so aus, wie wenn das zu einem Spiel geworden war.
In meinem Buch weise ich darauf hin, dass wir diese Art von Annäherung in Not viele Jahre später auch noch durch Amseln erlebt haben. Offensichtlich haben die uns über viele Jahre hinweg nicht als bedrohlich wahrgenommen, sondern vertrauten uns so weit, dass sie uns um Hilfe holten.
Meine Frau und ich saßen auf der Terrasse als ein Amselpärchen laut schreiend über unseren Köpfen Kreise drehte. Uns war sofort bewusst, dass hier etwas Außergewöhnliches passiert sein muss. Erst dachten wir daran, dass sie Warnungen aussendeten, weil eine Katze ihnen Jungen im Nest zu nahe kam. Aber da war keine Katze und auch kein anderer Feind. Wir machten uns auf, damit sie uns eine Richtung angeben konnten. Und tatsächlich lockten sie uns an den Ort, an dem eines ihrer Jungen aus dem Nest gefallen war. Wir polsterten einen Wäscheklammerbeutel aus und legten das Junge, das betäubt war, aber noch lebte, ohne es direkt mit der Hand zu berühren, hinein. Dann hängten wir den Beutel in einen Baum. Das Elternpaar nahm sofort Kontakt zu ihm auf und suchte es zu animieren, mitzukommen. Wir entfernten uns und sahen erst viel später nach. Die kleine Amsel war leider nicht mehr zu sich gekommen und lag nun tot da. Die Amseleltern hatten den Versuch, es zu reanimieren, aufgegeben. Auch uns brauchten sie jetzt nicht mehr.
Nach dem gelungenen und dem misslungenen Rettungsversuch kann zumindest eines festgehalten werden: Fremde Spezies haben eine Vorstellung davon, dass sie mit anderen Spezies (also auch uns Menschen) Kontakt aufnehmen können. Dabei muss von ihnen (wie auch immer) eingeschätzt werden können, wer ein Feind ist, der sie bei einer Annäherung tötet und wer hilfreich sein könnte bei ihrem Anliegen. Sie müssen also eine Vorstellung von uns als einer fremden Spezies haben. Dabei müssen sie einschätzen können, dass wir ihnen nützlich sein können, weil wir über Fähigkeiten verfügen, die sie nicht haben, die ihnen aber helfen können, um ihre Notlage zu lindern. Und sie müssen uns noch genauer, d.h. uns im Speziellen einschätzen können, denn nicht allen Vertreter*innen unserer Spezies Mensch können sie trauen.
Diese mögliche Verständigung zwischen den Spezies finde ich besonders spannend. Ich gehe meine Fragen hierzu in meinem Buch anhand wissenschaftlicher Literatur nach.
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